So-Post 30.06.2012
Bloß keine Hochhäuser
Die Anwohner rund um das ehemalige Kirchenzentrum St. Josef in Mitte sind beunruhigt: Die Katholische Kirchengemeinde will die Gebäude abreißen lassen und das Grundstück verkaufen.
Von Jan L. Dahmen
Hürth-Mitte. Gut 50 Anwohner der Bonnstraße waren am Mittwochabend gekommen um Ratsmitgliedern und Kirchenvertretern ins Gewissen zu reden. Sie wehren sich gegen eine Bebauung „mit Hochhäusern“ direkt vor ihren Fenstern. Die Vertreter der Politik, der Verwaltung und der Kirchengemeinde wiederum hatten sich im Vorfeld einer Sitzung des Planungsausschusses am ehemaligen Kirchenzentrum getroffen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Über 230 Unterschriften haben Gerrit Sell (rechts) und seine Mitstreiter der Bürgerinitiative gegen den Abriss des ehemaligen Kirchenzentrums St. Josef gesammelt. Sie wurden Bürgermeister Walther Boecker im Rahmen eines Ortstermins überreicht. Foto: JLD
Seit Jahren versucht die Gemeinde, die nicht mehr genutzten Gebäude zu vermieten oder zu verkaufen. Aber trotz „intensiver Bemühungen“, betont Pfarrer Franz-Josef Lausberg, sei es nicht gelungen, jemanden zu finden. „Kein Wunder“, heißt es von den Kritikern des Vorgehens der Kirche. Wenn man die Preisvorstellungen nur hoch genug ansetze, finde man natürlich niemanden. „Die Kirche betriebt dort Gewinnmaximierung“, so der SPD-Ratsmitglied Dr. Patrick Hansen.
Der Kritik schließen sich andere Vertreter der Politik an. Die Kirche sei nun einmal keine Privatperson, sondern Anstalt öffentlichen Rechts meint beispielsweise Dirk Breuer, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Und darum gelten für sie auch andere Maßstäbe, als für den kleinen Häuslebauer!“ Für die FDP erklärte Ronald Hadré, der Bürgerwille müsse berücksichtigt werden. „Aber man darf das Eigentumsrecht der Kirche nicht außer acht lassen!“
Das Thema kocht schon seit Jahren. Offenbar hat es aber in dieser zeit zumindest brauchbare Lösungsansätze gegeben. 850.000 Euro hat ein Hürther Unternehmer der Kirche für das Ensemble angeboten. Er wäre sogar bereit gewesen, den Pfarrsaal im Rahmen der neuen Nutzung zu erhalten. Dieser Punkt ist vor allem der Politik und den Vertretern des Denkmalschutzes in Hürth wichtig. Denn der Saal erinnert an die Nutzung als Kirche für die umgesiedelten Knapsacker. Der Unternehmer sei jedoch so lange hingehalten worden, bis er schließlich entnervt aufgab.
Inzwischen liegt also ein Abbruchantrag vor. Zwar betonte Bürgermeister Walther Boecker sowohl beim Ortstermin als auch bei der anschließenden Ausschussitzung, er werde in jedem Fall die Entscheidung des Denkmalschutzes abwarten. Die Anwohner fürchten dennoch, demnächst zwei oder drei mehrgeschossige „Wohnklötze“ vor die Nase gesetzt zu bekommen.
Und das, so der Tenor, passe nun einmal nicht in die vorhandene Wohnbebauung. Der Charakter der Wohnstraße dürfte nicht verloren gehen, lautet die Forderung. Und schon heute nehme der Verkehr immer mehr zu. „Die Kirche hat hier auch eine soziale Verantwortung“, sagt Gerrit Sell, Vertreter einer inzwischen gegründeten Bürgerinitiative.
„Nehmen Sie uns ernst“, rief Sell den Politikern zu. Bei der Kirche kommen wir nicht mehr weiter!
Quelle: Sonntags Post vom 30.06.2012